Triora – Hexendorf

Ohne es zu ahnen, hatte uns dieser magische Ort mit nicht mal 400 Einwohnern gerufen und offenbarte uns in überraschender Weise seine blutige Geschichte als Ort von Hexenverbrennungen.

Keine Stunde von der Mittelmeerküste entfernt, im oberen Tal des Flusses Argentina, kommt man nach einer kurvenreichen Autofahrt durch kultivierte Hügel in einen weniger erschlossenen Bereich der Ligurischen Alpen und dem Höhepunkt der Provinz Imperia: Das Dorf der Hexen – oder auch die italienische Version von „Salem“.

Sein Name Triora stammt vom Lateinischen „tria ora“ (drei Münder) und könnte damit auf jene des Cerberus anspielen, der auch auf dem Wahrzeichen des Ortes abgebildet ist – oder für die 3 Wasserläufe stehen, welche sich in diesem Gebiet vereinen.

Lange Historie

Die Ursprünge der ersten Menschenansiedlung auf diesem Stück bewaldeten Felsens müssen schon sehr sehr alt sein. Bereits im Jahr 1000 präsentierte sich Triora als ein wichtiges Zentrum und wurde von der Republik Genua mehrmals erfolglos einzunehmen versucht. Und dies trotz oder gerade wegen seiner exponierten, schwer zugänglichen Lage auf fast tausend Höhenmetern.

Schaut man sich die alten Mauern und Straßen an, wie sie größtenteils aus lose übereinander gestapelten Steinen bestehen und vorhandene Felsbrocken und Höhlen genutzt wurden, so kann man sich bildhaft vorstellen, wie diese ganze Festung langsam und unkoordiniert durch seine wohl heidnischen Bewohner gewachsen sein muss. Es gibt auch noch in Stein gehauene Grotten, die damals wie heute für spirituelle und religiöse Zwecke genutzt werden.

Auffällig sind ebenfalls die individuell gestalteten und mit unterschiedlichsten Symbolen geschmückte Türen. Nicht zufällig befinden sich an den Weggabelungen solch heilige Pflanzen wie der Holunderstrauch – an dessen Wurzeln die Frau Holle sitzen soll. Und natürlich darf auch eine schwarze Katze in einem Hexendorf nicht fehlen.

Blutige Geschichte

Zwischen 1587 und 1589 war dies der Schauplatz eines wohldokumentierten und äußerst düsteren Hexenprozesses, in welchem zunächst 13 Frauen beschuldigt wurden, mit ihrer schwarzen Magie und Kannibalismus an Kindern für die Hungersnöte und den Tod des Viehs verantwortlich gewesen zu sein. Am Ende des dramatischen Verhörs inklusive Folterungen und Selbstmord kam es zum Todesurteil für einige der Angeklagten.

Angst und Wahn breiteten sich in der nächsten Zeit weiter aus, es wurden insgesamt an die 200 Frauen der Hexerei beschuldigt. Es kamen Inquisitoren, Priester und Folterknechte aus Genua, die sich der Teufelsaustreibung annahmen und viele Menschen in Kerker warfen, aus denen sie nie wieder heraus kamen.

Später im Juli 1944 gab es noch einmal Brände und blutige Verwüstungen ganzer Stadtviertel durch die Nazis.

Inzwischen rühmt man sich allerdings der unchristlichen Herkunft und hat das Thema von Hexen und Zauberei für die Touristen aufgehübscht. Dabei wäre es gar nicht nötig, derartig klischeehafte Darstellungen von Hexen auf Besen zur Schau zu stellen, um diese überaus mysteriöse Stimmung in den Winkeln und Gassen der Altstadt zu verdeutlichen. Zwischen jedem ausgetretenen Stein, sowie besonders in den Wasserleitungen der Zisterne und ihre zahlreichen Brunnen steigt eine Ahnung von Magie empor. Und man bekommt leicht eine Gänsehaut beim Anblick der vielen Ecken ohne Tageslicht, in denen Fledermäuse und Schwalben ihr Zuhause gebaut haben und wo diverse Tiere in dem Pflanzenbewuchs rascheln.

Während im Hintergrund eine noch immer fast unberührte, grüne Berglandschaft von Erhabenheit und Ehrfurcht gegenüber der Natur spricht.

Vergebung

Das Thema „Verzeihen“ hatte sich uns hier förmlich aufgedrängt.

Mit der Absicht, ein Ritual an dem Ort zu begehen, an dem unschuldige Frauen gefoltert und zum Tode verurteilt worden waren, stellte sich zwangsläufig die Frage: Wie können wir sie im Namen ihrer Peiniger um Verzeihung bitten? Und wie kann man überhaupt den Anklägern vergeben, die im heiligen Namen Gottes solch schreckliche Gräueltaten begangen haben?

Nur mit offenem Herzen jedenfalls. Und nur, wenn wir in der Lage wären, uns überhaupt erst einmal selbst zu verzeihen – jeder sich seine eigenen Fehler ebenso wie die Fehler des Gegenübers.

Aber wie verzeiht man wirklich? Und ist dies überhaupt möglich bloß durch den puren Willen? Oder erfolgt das Verzeihen nicht eher als Nebenerscheinung, wenn man sich in seiner spirituellen Entwicklung dahingehend bewusst wird, dass andere Menschen und Ereignisse im Außen immer nur Spiegel von unseren inneren Prozessen sind? Wenn wir alle miteinander verbunden sind und ich mich selber wahrlich im Anderen wiederfinde, dann erkenne ich doch, dass ich mich im Grunde selbst verletzt / beleidigt / belogen und betrogen habe. An dem Vorwurf, der Schuldzuweisung, der Wut und dem Schmerz festzuhalten, bedeutet dann nur, die Vergangenheit festzuhalten und sich damit zu identifizieren, dass man Opfer war.

Neben der ganz persönlichen Aufarbeitung der seelischen Wunden und der eigenen Vergehen, schien es uns sinnvoll, dem Ort ein paar mächtige Gaben da zu bringen: 3 Dinge in den Farben der drei Nornen (Rot wie das Blut, Weiß wie Knochen und Schwarz wie Asche).

Zum Räuchern verwendeten wir ebenfalls 3 wirkungsvolle, selbst gesammelte Kräuter von früheren Stationen unserer Reise: Belladonna, Lindenblüte und Ginster. Und als Symbol für die Verbundenheit zwischen den scheinbar getrennten Zeiten und den darin verwickelten Menschen, flochten wir unsere Wünsche, Gebete und guten Absichten in die Umwicklung von einem Stein im Gemäuer und einem Pfahl mit ein – genau dort, wo es damals die heidnischen Rituale gegeben haben wird: in der Cabotina.

Möge unser Kunst- und Hilfswerk noch möglichst lange seine Wirkung entfalten und dem Ort mit seinen alten, gequälten Seelen zu einem verdienten Frieden verhelfen.

Autor: SmileGlobetrotter

Quellen:

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