Zu dem Thema “Märchen” gibt es zahlreiche Debatten. Jede einzelne Geschichte bietet weiten Spielraum für Interpretationen und ist ein Zeugnis der früheren Gesellschaft, alter Glauben und Traditionen. Aber auch von psychologischen Prozessen – die unabhängig von der jeweiligen Zeit stets in uns Menschen gleich ablaufen.
Bei meiner Arbeit mit Kindern muss ich mir selbst immer wieder die Frage stellen: Sind Märchen pädagogisch wertvoll? Und angesichts der Stereotypen wie der gemeinen Stiefmutter und dem Prinzen auf dem weißen Pferd: Sind sie überhaupt noch zeitgemäß?
Ich selbst bin ein großer Fan von Märchen, obwohl ich selbst als Kind die Geschichten teilweise sehr beängstigend fand und sicher auch ihnen meine Alpträume von bösen Hexen zu verdanken habe. Trotzdem lassen sie sich kaum aus der Betreuung wegdenken. So habe ich zum Beispiel mit Kindern zusammen ein Märchen-Museum eröffnet, in denen sie ihre Fantasie nutzen konnten, um Ausstellungsstücke zu ihren Lieblings-Charakteren zusammen zu tragen. Und das dies zu recht auch heute noch Thema ist, möchte ich hier kurz erläutern.
Der Wert von zauberhaften Stories
Märchen sind mehr als nur Geschichten zum Vorlesen und Einschlafen. Ganz davon abgesehen, dass sie natürlich auch die Bindung in der Familie und die Sprachfähigkeiten verbessern, und dass neben den Werten und Regeln auch alte Weisheiten in den Geschichten überliefert werden.
Die Märchen arbeiten mit einfachen Beschreibungen auf einer bildhaften, sehr symbolischen und emotionalen Ebene. Das macht es den Kindern leicht, sich in andere Wesen hinein zu versetzen und für sie empathisch zu werden.
Andererseits kann damit direkt das Unterbewusstsein angesprochen werden – welches ebenso bildhaft funktioniert. Es können Emotionen in uns hervor geholt werden, an die wir sonst vielleicht schlecht heran kommen. Unsere eigenen Ängste, Träume, Vorstellungen etc. können dadurch bearbeitet werden und bekommen eine symbolische Entsprechung.
Als Zuhörer kann man mit dem Helden mit fiebern, man kann fremde Abenteuer wie die eigenen erleben und genauso die Rückschläge und die Erfolge feiern. Zahlreiche Verhaltensmodelle, Konflikte und zwischenmenschliche Probleme werden angesprochen, analysiert und gelöst. Die Fantasie wird nicht nur geschult, sondern auch genutzt, um Gefühle auszuleben, um Wünsche und Sehnsüchte in eine Form zu bringen.
Märchen sind wie ein Brunnen, dessen Tiefe man nicht kennt,
Wilhelm Grimm
aus denen aber jeder nach seinen Bedürfnissen schöpft.
Die Pädagogik dahinter
Märchen bieten einen geschützten Raum zum heilen und zum verarbeiten. Und dafür gibt es die unterschiedlichsten Methoden In der Märchenpädagogik, die über das bloße zuhören hinaus gehen. Rund um das Thema lassen sich Diskussion anregen, man kann Geschichten nachspielen, umschreiben, auf heutige Situationen übertragen oder anderweitig kreativ werden.
Das klingt vielleicht etwas hochtrabend und auch das Buch “Kinder brauchen Märchen” von Bruno Bettelheim ist diesbezüglich sehr deutlich. Man darf nicht vergessen, dass für die Grimmschen Märchen vor allem Kinder in dem Alter von vier bis acht Jahren als Adressaten genannt werden. Und laut Kinder-Psychologen können sie in dem Alter nur die Extreme von Schwarz und Weiß verstehen. Sie brauchen die klare Abgrenzung der “bösen Stiefmutter” und des “guten Prinzen”, die im übertragenen Sinne für viele andere Dinge stehen.
Gleichzeitig kommen wie selbstverständlich auch immer übernatürliche Wesen und Fähigkeiten vor. Dies zeigt doch, dass man die Geschichten nicht eins zu eins in die Realität übertragen kann und soll. Natürlich ist die Welt dort draußen wesentlich komplexer.
Und da sich die Gesellschaft und die Rollenbilder in ihnen teils stark gewandelt haben, wäre es meines Erachtens sinnvoll, zusätzlich zu den klassischen Märchen auch moderne Versionen zu behandeln. Das Prinzip in ihnen gilt aber auch heute noch genauso.
Mit dem positiven Ausgang der Geschichten wird den Kindern aber auch eine emotionale Lebenssicherheit vermittelt. Wenn man weiß, wie man sich verhalten muss und welche Konsequenzen die Handlungen haben können, dann macht das selbstsicherer und resilienter gegenüber den Unsicherheiten der Zukunft.
Die mögliche Wirkung auf die Psyche bleibt allerdings nicht nur für Kinder wertvoll. Unsere Vorstellungskraft und die uns allen innewohnende, schöpferische Kreativität kann auch bei Erwachsenen noch mittels Märchen geweckt werden und zu einem gesunden Seelenheil beitragen.
So ist eins der am weitesten verbreiteten Märchen doch über alle Altersklassen hinweg ein Quell von Freude und Mitgefühl. Und auch hier geht es um die symbolische Bedeutung, wofür sie eigentlich steht:
Die Geschichte vom Weihnachtsmann!

Autor: SmileGlobetrotter
Quellen: