Auf Sizilien – ein bisschen oberhalb von Taormina – gibt es ein sehr merkwürdiges Dorf. Vielleicht liegt es an der Höhenluft, zu langer Abstinenz oder man musste den Touristen einfach etwas Spezielles bieten. Jedenfalls wird hier der heilige Phallus verehrt.
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Es ist schwer sich in der Turrisi-Bar in Castelmola umzuschauen, ohne dabei rot zu werden. Fährt man am Treppengeländer entlang, streichelt man unweigerlich ein paar Eicheln. Und man muss aufpassen, sich kein Auge auszustechen an den vielen aufgerichteten Speerspitzen.
Das große Gästebuch liegt aufgeschlagen auf einem “Ständer” und enthält zahlreiche kreative und offenherzige Zeichnungen, die an ein modernes Kamasutra erinnern.
Sitzt man auf einem Hodenstuhl und nippt an seinem Penisglas, kann man sich schnell mal verschlucken. Denn wo man auch hinsieht, überall springen einem die männlichen Genitalien quasi entgegen. Das ist schließlich auch das größte Penis-Café der Welt.
Hier wird liebevoll auf jedes Detail geachtet. Im Badezimmer schaut man in einen penisförmigen Spiegel. Sogar der Wasserhahn ist sorgfältig ausgewählt: Zwei runde Griffe sind Hoden, der Ausguss ist ein Phallus und der Wasserstrahl ahmt die Erleichterung bei der Blasenentleerung nach.
Selbst die Speisekarte ist natürlich in Penisform und als erstes Bild sieht man darin eine Zucchini mit 2 Tomaten. Der typische Drink des Hauses nennt sich “Blow Job”.









Kein Wunder also, dass die Bar inzwischen weit bekannt ist und ihre Idee so beliebt, dass bereits Andere versucht haben sie nachzuahmen. “Focus” zählte sie zu den sieben einzigartigsten Bars der Welt. Die Gegend und das Penis Café sind jedoch unzertrennlich.
Eine Liebesgeschichte
In der Nachkriegszeit kehrte der Ritter Salvatore Turrisi in seine Heimat zurück und eröffnete 1947 einen vielseitigen Basar im Zentrum vom Dorf. Dort verkaufte er zunächst alles, was ihm möglich war: Mandeln, sizilianische Puppen, Schals und Wein.
Anfangs gab es große Schwierigkeiten, sich im verarmten Sizilien zu etablieren, aber er erhielt Unterstützung von Freunden. Und da er sich mit der Weinherstellung auskannte, kreierte er eine eigene Spezialität, um den Touristen die Aromen und Düfte seines Landes zu vermitteln. Der spezielle Hauslikör entsteht aus einem trockenen Weißwein, der mit Mandeln, aromatischen Kräutern und Zitrusfrüchten verschnitten wird.
Ein bernsteinfarbenes Elixir, das die Sinne beim ersten Schluck durch seine Süße täuscht, denn bitter ist sein Nachgeschmack – die typische Essenz der Mandeln, die auf dem Lavagestein des Ätna wachsen.

Touristen, die damals in Castelmola einkehrten, konnten nicht umhin, sich an diesem aphrodisierenden Nektar zu berauschen, natürlich begleitet von der besonderen Gastfreundschaft des großen Frauenhelden. Und die Bar machte sich langsam einen Namen als ein intimer Ort für besondere Sinnesfreuden.
Die Qualität der Region
Sizilien war Mitte des 19. Jahrhunderts fortschrittlich, mehr als der Rest Italiens und vielleicht sogar Europas.
Es war diese Gegend um Taormina, wo die ersten homosexuellen Gemeinschaften unter der mediterranen Sonne entstanden aus zerbrechlichen und rastlosen Sprösslingen illustrer, wohlhabender Familien, die hier die “existenziellen Qualen des bereits dekadenten Europas” ertrugen.
Echte und vermeintliche Intellektuelle, die in den Salons von London, Paris und Berlin gebrütet hatten, gaben sich in der kleinen Oase Siziliens allen Arten von Extravaganz, Wildheit und Freiheit hin. Hier lebten Leute wie D.H. Lawrens, Gothe, Oscar Wilde, Thomas Mann und Wilhelm von Gloeden (Pionier künstlerischer Aktfotografie).
So wurden böhmische Attitüde und sexuelle Offenheit zu einer Lebenseinstellung und Taormina zu einem Magneten für Künstler, die Ruhe und Inspiration suchten.
Hinzu kommt die ausgesprochen exponierte Lage: Auf der einen Seite kann man auf die Küste und das Mittelmeer schauen, auf der anderen Seite erhebt sich majestätisch der qualmende Vulkangipfel vom Ätna.


Das phallische Symbol
Der Gedanke an den Penis ls Markenzeichen hat sicherlich anfangs große Bestürzung hervorgerufen, vor allem beim Pfarrer. Aber in Wirklichkeit handelt es sich um ein Symbol, das keineswegs vulgär gemeint ist und auch in der Kultur der Griechen zu finden ist. Sie waren die antiken Kolonisatoren dieses Landes.
Es handelt sich um den Gott Priapus, der im alten Griechenland für Fruchtbarkeit, Freiheit, Glück, Leben und Schönheit stand. Dies ist auch ein Symbol, das in der Antike das Gegenmittel gegen den bösen Blick darstellte.
“Minchia” wird dieser Phallus im sizilianischen Dialekt genannt und ist nichts anderes als eine Darstellung der speziellen Kultur des Ortes. Es soll niemals allein das männliche Glied damit gemeint sein.

Alle Stücke des Cafés sind Auftragsarbeiten von sizilianischen Handwerkern. Was ausgestellt wird, ist dabei nur ein kleiner Teil einer größeren Sammlung, die hinter verschlossenen Türen bleibt. Schließlich reizen die besonderen Figuren immer wieder zu versuchten Diebstählen.
In den 1990ern beobachtete ein Kunde, wie Männer einen übergroßen Penis in ihr Auto verfrachteten und notierte sich das Nummernschild.
Der Dieb entpuppte sich als Rechtsanwalt aus Catania, der sich von dem Anblick der Figur überwältigt gefühlt hatte.
Die Penis-Bar befindet sich bereits in dem Besitz der dritten Generation und hat viel zum Wohlstand der Gemeinde beigetragen.
Auch heute noch ist es möglich, in ihren besonderen Zauber einzutauchen, zum Beispiel während man in den über 100 alten Gästebüchern blättert. Dort sind Erinnerungen und Bilder einer Vergangenheit festgehalten, die noch nicht verblasst ist.
Inzwischen kann man sich das Souvenir mit dem besonderen Phallus-Charme online kaufen, wie den berühmte Mandelwein, die traditionellen Penisgläser und dazu einen Penis-(Schlüssel)-Ring.
Autor: SmileGlobetrotter
Quellen:
Danke für diese tolle Recherche. Es lebe der Phallus, er lebe hoch! Und das im wahrsten Sinn des Wortes. 😉