LUMA Arles – Rutschen für die Kunst

Wer möchte schon die Treppe nehmen, wenn man auch in das Erdgeschoss rutschen kann? In dem LUMA-Gebäude in Arles gehört die Riesenrutsche zum Inventar und es gibt noch mehr, was es zu einem ziemlich coolen Ort nicht nur für Künstler macht!

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Das LUMA ist ein einzigartiger Kulturkomplex, der im Herzen der französischen Stadt Arles in der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur liegt. Bekannt ist die Kleinstadt vor allem wegen Vincent van Gogh und für seine antiken Stätte. Doch nun kommt ein völlig neuartiges Projekt hinzu und schon die Geschichte seines Areals hat einen historisch sehr alten Hintergrund.

Das ursprüngliche Gelände

Ende des 1. Jh. v. Chr. wurde in Arles eine römische Nekropole errichtet, welche sich immer weiter nach Südosten vergrößerte bis zum heutigen Standort der Kirche “Saint-Honorat”, wo der Märtyrer Genès begraben liegt. Zahlreiche Steinsarkophage zeugen von der Geschichte dieses heidnischen und dann christlichen Friedhofs, der bis ins 15. Jahrhundert genutzt wurde.

Als in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Stadt Arles zu einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt für den Güterverkehr zwischen Marseille und Lyon wurde, begann das Unternehmen PLM mit dem Bau des “Parc des Ateliers”. Dort, wo ein Teil der Nekropole von Alyscamps lag, begannen die Arbeiten 1844 mit der Einebnung des Grundstücks durch Dynamitsprengungen.

Die gesamte Fläche des Geländes wurde dann mit einer Betonplatte bedeckt, um die Errichtung der Gebäude und den Durchgang der Lokomotiven zu erleichtern. Es wurde ein neues Bahnhofsdepot und eine Werkstatt gebaut für die Wartung und Reparatur von Zügen. Zu Höchstzeiten waren 1.200 Arbeiter dort beschäftigt.

Im Laufe der Jahre erlebte das Gelände eine Reihe von Veränderungen und Erweiterungen, bis es schließlich in den 1980er Jahren aufgegeben wurde. Die Gebäude blieben jedoch erhalten und wurden später von der Luma Foundation erworben, welche sie in ein innovatives Zentrum für Kunst und Wissenschaft umwandeln wollte.

die ehemaligen SNCF-Werkstätten

Die LUMA Foundation

Die LUMA-Stiftung wurde 2004 von der Schweizer Mäzenin und Kunstsammlerin Maja Hoffmann gegründet und vollständig aus ihren persönlichen Mitteln finanziert. Diese stammen aus ihrem Anteil am Familienvermögen des von ihrem Urgroßvater gegründeten Schweizer Pharmalabors “Hoffmann-La Roche”.

Damit hat es sich die Milliardärin zum Ziel gesetzt, die zeitgenössische Kunst, Fotografie und Filmproduktion zu fördern. Hoffmann war seit den 1990er Jahren in der Kunstszene aktiv und hatte bereits in der Vergangenheit verschiedene Kunstprojekte unterstützt.

Das LUMA Arles-Projekt wurde 2013 offiziell angekündigt und sollte eine neue Art von Zusammenarbeit schaffen, wo Kunst, Forschung, Bildung und soziales Engagement miteinander agieren können. Das Hauptgebäude wurde von dem preisgekrönten Architekten Frank Gehry entworfen, der auch für seine Arbeit am Guggenheim-Museum in Bilbao und am Walt Disney Concert Hall in Los Angeles bekannt ist.

Hoffmanns Kinder Lukas und Marina stehen indirekt Pate für den Namen, denn LUMA ist ein Kunstwort aus den Anfangsbuchstaben ihrer Vornamen.

Abgesehen von dem ehemaligen Bahnhofsdepot und der Werkstatt, die in moderne Ausstellungsräume und ein Forschungszentrum umgewandelt wurden, gibt es inzwischen auch einen Kino- und Konzertsaal, ein Café, ein Restaurant, ein Buchgeschäft, ein Archiv und sogar ein Hotel für die Übernachtungsgäste.

Die besondere Architektur

Die Architektur des LUMA Arles ist bemerkenswert. Die Mischung aus alter Industrie und modernen Gebäuden schafft eine einzigartige Atmosphäre, die Vergangenheit und Gegenwart miteinander verbindet.

Der 56m hohe Turm – als weithin sichtbares Symbol – soll Landschaft und Himmel widerspiegeln und tut dies auch im eigentlichen Sinne durch seine 11.500 verspiegelten Edelstahl-Rauten. Je nach Licht und Tageszeit leuchtet es in verschiedenen Farbschattierungen.

Das “Arts Resource Building” nach den Plänen des 92jährigen Stararchitekten hat geschätzte 150 Millionen Euro gekostet. Der gläserner Rundbau im unteren Bereich ist einem römischen Amphitheater nachempfunden, während die zackigen Formen darüber an die Kalkfelsen der nahen Alpilles erinnern sollen.

Im Inneren gestaltete der Künstler Ólafur Elíasson eine Doppelwendeltreppe mit einem sich drehenden Deckenspiegel.

Ein weiteres markantes Merkmal ist die große Metallrutsche, die sich durch das Gebäude zieht. Die Rutsche wurde vom niederländischen Künstler Carsten Höller entworfen und bietet den Besuchern eine aufregende Alternative zum Fahrstuhl. Sie ist ein Beispiel für die einzigartige und spielerische Gestaltung des Komplexes, wo Kunst und Kultur auf innovative Weise erlebt werden können.

Das LUMA Arles verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz bei der Umsetzung von Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Es wurden eine Vielzahl von Technologien und Materialien verwendet, die auf Nachhaltigkeit und Energieeffizienz ausgelegt sind. Dazu gehören beispielsweise Solarmodule auf dem Dach, die zur Stromerzeugung beitragen, und eine wassersparende Bewässerungsanlage im “Parc des Ateliers”.

Die Herausforderungen für den Park

Ein zentraler Bestandteil des LUMA Arles ist dessen öffentlicher Park, der auf dem zuvor zubetonierten Grund des Bahnhofs angelegt wurde. Der Park umfasst 15 Hektar und bietet heute eine grüne Oase mit über 300 neu gepflanzten Bäumen und einem Teich inmitten der Stadt.

Er wurde vom belgischen Landschaftsarchitekten Bas Smets geplant. Dieser ließ sich dabei von der natürlichen Umgebung Arles’ inspirieren. Aber aus klimatischen Gründen war es eine besondere Herausforderung.

Um die vielen archäologischen Überreste, die noch im Untergrund vorhanden sind, nicht zu beschädigen, wurde fruchtbare Erde auf dem komplett kargen Beton verteilt.

Das Wachstum der Vegetation wird durch ein nachhaltiges Wasserkreislaufsystem ermöglicht, das seine Quelle aus dem Craponne-Kanal in der Nähe bezieht. Der große Teich dient sowohl als Wasserspeicher zur Bewässerung als auch zur Kühlung an heißen Sommertagen. Hier wurde ein Mikroklima erschaffen, das die Betonwüste effektiv in einen üppigen öffentlichen Park verwandelt.

Die Forschung und ihre Ergebnisse

Der Turm und seine Umgebung sehen nicht nur bemerkenswert aus. Sie sind auch der erste Ort für groß angelegte Experimente mit mehreren innovativen Materialien, die vom Atelier LUMA selbst entwickelt wurden.

Das interdisziplinäre Kulturzentrum soll eine Ideenschmiede für Kultur und Ökologie sein. Architektur, Kunst, Forschung und Umweltschutz greifen hier ineinander. In einem eigenen Forschungslabor suchen Mitarbeiter nach lokalen Ressourcen, um neue, weniger umweltbelastende Materialien zu entwickeln.

Diese Forschung führte unteranderem zur Verkleidung von Wänden mit Salzkristallen. Das Material wurde in Zusammenarbeit mit den Salzarbeitern von Salins du Midi entwickelt und ging von den positiven Eigenschaften des Salzes sowie den potenziellen Vorteilen für die lokale Wirtschaft aus.

Außerdem werden die fliesenförmigen Tapeten im Turm aus Biopolymeren hergestellt, die mit Algen angereichert sind und seit 2016 im Atelier LUMA erprobt werden. Dieses Material ist eines der Ergebnisse einer weltweiten Forschung über verschiedene Algenarten und ihre Eigenschaften.

Dank der Forschung zu Merinowolle, invasiven Pflanzen und Pigmenten von Algen wurden auch einzigartige Dekorationsstoffe entwickelt. Das Know-how im Bereich Textilien und die Verwertung landwirtschaftlicher Abfälle nutze der Künstler Rirkrit Tiravanija, um unteranderem Akustikpaneele aus Sonnenblumenkernen und einen monumentalen Wandteppich herzustellen.

Das soziale Engagement

Über die Forschung hinaus, geht es bei der LUMA auch um das Engagement für soziale Projekte und die Förderung der lokalen Gemeinschaft. Die LUMA Foundation arbeitet eng mit lokalen Institutionen und Organisationen zusammen, um den Bedürfnissen der Gemeinschaft zu entsprechen. Dazu gehören Bildungs- und Kulturprogramme.

Ein Beispiel dafür ist das Projekt “Territoires en Récit”, das vom LUMA Arles ins Leben gerufen wurde und sich an junge Menschen in der Region richtet. Es soll die kulturelle Identität und das Geschichtsbewusstsein der Jugendlichen stärken und sie dazu ermutigen, sich aktiv an der Gestaltung ihrer Umgebung zu beteiligen. Das Programm umfasst Workshops, Exkursionen und künstlerische Aktionen, die von professionellen Künstlern und Pädagogen geleitet werden.

Es gibt zahlreiche Attraktionen und Aktivitäten für Besucher. Unteranderem etwa Führungen durch die Ausstellungen, die von renommierten zeitgenössischen Künstlern wie z.B. Annie Leibovitz, Liam Gillick und Philippe Parreno kuratiert wurden. Workshops, Konzerte, Filmvorführungen und vieles mehr. Der Komplex ist auch ein beliebter Austragungsort für internationale Veranstaltungen wie das “Rencontres d’Arles Fotofestival” und das “Les Suds à Arles Weltmusikfestival”.

Eine kulturelle Erfolgsgeschichte

Das LUMA Arles hat sich seit der offiziellen Eröffnung 2021 zu einem bedeutenden kulturellen Zentrum in Europa entwickelt und zieht jedes Jahr bereits Tausende von Besuchern aus der ganzen Welt an. Insgesamt ist es ein herausragendes Beispiel für die Renaissance einer ehemals industriellen Stadt. So wird gleichzeitig das Bewusstsein und das Verständnis für zeitgenössische Kunst gefördert und die Lebensqualität der Menschen in der Region verbessert.

Über das Aussehen des verspiegelten Turms kann man sich streiten, so wie über jede gute Kunst. Die Süddeutsche betitelt ihn als “zerquetschte Dose” und eine französische Zeitung verglich ihn mit dem Gesicht von Arnold Schwarzenegger als Terminator. Aber wer hat schon etwas gegen die Freuden einer Riesenrutsche einzuwenden? Und der Eintritt ist frei!

Hier noch eine Sammlung weiterer cooler Rutschen: https://www.popularmechanics.com/technology/design/g2796/coolest-slides-around-the-world/

Autor: SmileGlobetrotter

Quellen:

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