Das Reiten auf einem Steckenpferd mag nach einem Kinderspiel klingen, aber für über 10.000 Menschen ist es jedes Jahr ein ernsthafter Wettbewerb. Es ist der verrückteste Sport seit es Fantasien vom Prinzen auf edlem Ross gibt.
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Die Begeisterung für Pferde hat besonders unter Mädchen auch in modernen Zeiten nicht nachgelassen. Aber nicht jede Familie kann sich ein eigenes Pferd leisten oder möchte ein solches Hobby auf Kosten eines Tieres ausleben, das dafür extra gezüchtet, dressiert und eingesperrt wird.
Nun lässt sich der Traum vom Reiten aber auch auf eine unkonventionelle Art ausleben, nämlich auf Pferde-Imitaten anstelle des majestätischen Rosses. Was zunächst als Spiel für kleine Kinder begann, ist inzwischen zu einer ernsthaften Sport- und Freizeitaktivität geworden, die viele Elemente aus der Gymnastik enthält. Von Finnland ausgehend hat sich das sogenannte “Hobby Horsing” in den letzten Jahren weltweit verbreitet und bringt eine bunte Gemeinschaft zusammen, die ihre Fähigkeiten und Kreativität zur Schau stellt.
In der Welt des Hobby Horsings erwacht die Fantasie zum Leben und die Grenzen zwischen Reiter und Pferd verschwimmen.
Ursprünge und Entwicklung
Das Steckenpferdreiten hat eine jahrhundertealte Tradition, nachdem im Jahr 1648 auf der Treppe des Osnabrücker Rathauses der Westfälische Frieden verkündet wurde. In Erinnerung daran ziehen seitdem jeweils am 25. Oktober Mädchen und Jungen mit ihren Steckenpferden durch die Innenstadt von Osnabrück.
Zum Sport wurde das Reiten auf den falschen Pferden allerdings erst in den 2000ern. In Finnland entstand eine lebhafte Online-Gemeinschaft, die sich durch Plattformen der sozialen Medien über die Landesgrenzen hinaus vernetzte und Ideen, Tipps und Videos austauschte. In Schweden, Norwegen, USA und vor allem in Deutschland hat der Sport seit ca. 2015 enormen Zuspruch gefunden. Inzwischen schätzt man die Zahl der aktiven Hobby Horser allein in Deutschland auf rund 5000.
Erstmals 2017 durch den Dokumentarfilm “Hobbyhorse Revolution” unter der Regie der finnischen Filmemacherin Selma Vilhunen in den Mainstream eingeführt, nimmt die Popularität des Zeitvertreibs rapide zu. Aus einzelnen Nachahmern entstanden kleine Sport-Clubs. Die Entwicklung des Hobby Horsings führte schließlich zur Gründung von offiziellen Verbänden und Organisationen, die seit einigen Jahren bereits nationale und internationale Meisterschaften austragen.
Ein Komitee von deutschen Horsern, Trainern und Beobachtern erarbeitet zurzeit ein ‘Deutsches Regelwerk’, um die nötige Eintragung als Sportart zu erhalten. Das Ziel sind einheitliche Regeln, um Trainer gezielt zu schulen, Richter für Turniere auszubilden und durch Meisterschaften mit Qualifikationen und Ranglisten einen sportlich anerkannten Stellenwert in Deutschland zu erreichen.
Das Steckenreiten geht jedoch über den reinen sportlichen Aspekt hinaus. Es hat eine eigene Kultur geschaffen, die von Fantasie und Selbstausdruck geprägt ist. Teilnehmer entwerfen und fertigen ihre eigenen Steckenpferde an, gestalten aufwendige Kostüme und entwickeln einzigartige Choreografien für ihre Auftritte.
Das Pferd auf dem Stecken

Zwischen dem ursprünglichen Steckenpferd und dem heutigen “Hobby Horse” als Sportgerät liegen große Unterschiede. War das Steckenpferd damals als komplettes Holzspielzeug mit einem flachen 2D Kopf und einem Stiel bis zum Boden mit Holzrollen und zwei Handgriffen ausgestattet, so ist das Hobby Horse heute eher wie ein 3D-Kuscheltierkopf aus hochwertigen Materialien mit spezieller Watte gefüllt und an einem kurzen Stock bis kurz nach dem Gesäß. Der Stab darf bei der Dressur und beim Western etwas länger sein und sogar einen Schweif tragen.
Die Steckenpferde werden ähnlich wie echte Pferde behandelt. Sie werden “gefüttert”, “zurecht gemacht” und abends in ihre Stallbox “zum Schlafen gelegt”. Viele werden von ihren Besitzern in aufwendiger Handarbeit gefertigt und erhalten Namen. Manchmal werden sie untereinander gehandelt und versteigert, wie ihre tierischen Pendants.
Es gibt allerdings auch spezialisierte Hersteller, die nach den Wünschen ihrer Kunden arbeiten. Sie verwenden Stoffe in verschiedenen Farben und Mustern, um das Aussehen von Fell, Mähne und Schweif des Pferdes nachzuahmen. Zusätzlich werden oft Accessoires wie Zäume, Sättel und Decken verwendet, um das Steckenpferd noch realistischer wirken zu lassen.

Einige Sportgefährte verfügen über technische Funktionen, die es den Reitern ermöglichen, verschiedene Bewegungen und Geräusche zu simulieren. Diese Pferde können galoppieren, wiehern oder sogar animierte Augen und Ohren haben. Solche Imitate bieten eine noch interaktivere Erfahrung und steigern den Realismus des Sports.
Darüber hinaus gibt es auch Halterungen für Rollstuhlfahrer und an eventuelle Behinderungen angepasste Modelle, um eine möglichst große Inklusion zu ermöglichen.
Meisterschaften für Hobby Horser

Am 17. Juni 2023 war das 10-jährige Jubiläum des größten Steckenpferd-Events der Welt. Die Championship fand in der Stadt Seinäjoki in Finnland statt und zog zahlreiche Steckenpfere-Enthusiasten aus dem In- und Ausland an.
Die jungen Teilnehmer – meist Mädchen im Alter von 10 bis 18 Jahren – galoppierten, sprangen und tänzelten mit vollem Einsatz durch die eigens gebaute Arena.
Bewertungskriterien bei den Meisterschaften sind vielfältig und berücksichtigen sowohl die technische Ausführung als auch die kreative Präsentation. Zu den relevanten Punkten gehören unter anderem die korrekte Ausführung von Gangarten und Übungen, die Harmonie zwischen Reiter und Steckenpferd, die Originalität der Choreografie und die Gesamtwirkung der Performance. Es gibt verschiedene Disziplinen – darunter Dressur, Springen, Western und Freestyle.
In der Dressur zeigen die Sportler ihre Fähigkeiten bei präzisen Bewegungsabläufen und Choreografien, die die Vielseitigkeit ihres Steckenpferdes demonstrieren. Beim Springen werden Hindernisse bis zur 1,20m aufgebaut, über welche die Reiter samt Stecken gelangen müssen und dabei ihre Sprungtechnik unter Beweis stellen. Im Freestyle haben sie die Möglichkeit, ihre Kreativität voll auszuleben und eigene Choreografien zu entwerfen, die Musik, Tanz und spektakuläre Tricks mit einbeziehen können.
Die Gewinner erhalten Preise und Auszeichnungen für ihre Leistungen. Neben den individuellen Erfolgen steht jedoch vor allem die Gemeinschaft im Mittelpunkt dieser Veranstaltungen. Hobby Horsing-Meisterschaften bieten eine prima Gelegenheit für Gleichgesinnte, sich zu treffen, Erfahrungen auszutauschen und ihre Leidenschaft für den Sport zu teilen.
Mehr als ein Zeitvertreib
Der Trend mag auf den ersten Blick skurril erscheinen und echte Reiter werden sicher herablassend auf die Hobby Horser schauen. Man sollte allerdings auch den körperlichen und therapeutischen Nutzen nicht unterschätzen.
Hobby Horsing bietet Menschen jeden Alters und Geschlechts die Möglichkeit, ihre Liebe zu Pferden und das Reiten auszuleben, ganz ohne Zugang zu einem echten Tier haben zu müssen. Es fördert die Bewegung, die Kreativität und den Zusammenhalt unter den Liebhabern.

Letztendlich kann man jedem Kind und Erwachsenen nur wünschen, so sehr in einem Hobby aufzugehen, wie es die Steckenreiter tun.
Autor: SmileGlobetrotter
Quellen: